Für Infos zum Radleressen und zum Reifungsprozess der Mitfahrer bitte auf die entsprechenden Bildchen klicken.
Leben wie Gott in Frankreich, Elsässer Weinland, Elsässer Gaumenfreuden, eine sportliche Tour bei herrlichem Sommerwetter.
Gesamtstrecke : 380 Kilometer
Fahrradkarten:
Radatlas Elsass, bikeline Radtourenbuch, Verlag Esterbauer, 1:75.000
1. Tag | Mittwoch 30. Juni |
Strecke | Münster – Basel-Bad – Basel – Illfurth – Mulhouse – Baldersheim |
Wetter | sonnig, heiß |
Entfernung | 66 km |
Übernachtung | Hotel Au Cheval Blanc, Baldersheim, 326 Euro |
Wir erreichen Basel Bad gegen 13:30 Uhr. Mitten durch den Bahnhof verläuft die Grenze zur Schweiz. Für Günter wird dieser Grenzgang besonders spannend, da er keinerlei Ausweis mit sich führt. Er und eigentlich auch wir alle haben Glück. Es gibt keine Kontrollen. Wir überqueren den Rhein und erreichen durch Basels Randbezirke schon bald die Grenze nach Frankreich. Die Landschaft auf französischer Seite ist der Sundgau. Er umfasst in etwa den Landstrich zwischen Basel, Mülhausen und Belfort. Das Regionalzentrum ist die Kleinstadt Altkirch. Historisch umfasste der Sundgau ursprünglich das gesamte Oberelsass, später jene Teile davon, die unter habsburgischer Herrschaft standen. Die Hügellandschaft ist stark von landwirtschaftlicher Tätigkeit und dörflichen Strukturen geprägt. Die klimatischen Bedingungen sind gegenüber der benachbarten Rheinebene ungünstig. Wir durchqueren ihn jedoch bei hochsommerlichen Temperaturen. Aus schierer Not müssen wir unterwegs eine Bäuerin um Leitungswasser bitten. Sie schaut uns zwar ein wenig befremdet an, stellt uns ihren Wasserhahn auf dem Hof aber bereitwillig zur Verfügung. Durch Hésingue, Attenschwiller, Michelbach, Hundsbach, vorbei an Altkirch erreichen wir bei Illfuth den Canal du Rhône au Rhin.
Am Kanal entlang sind wir schon bald in Mulhouse. Eine einvernehmliche Erkundung der Stadt gelingt uns nicht, so durchqueren wir sie an der Ill entlang. Wir haben beschlossen, uns ein wenig außerhalb der Stadt eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. Die finden wir in Baldersheim im Hotel Au Cheval Blanc. Im angeschlossenen Gästehaus Au Vieux Marronnier (wobei die alten Kastanien wohl nicht mehr existierten) einige hundert Meter vom Hotel entfernt überlässt man uns drei Ferienwohnungen.
2. Tag | Donnerstag 1. Juli |
Strecke | Baldersheim – Ensisheim – Guebwiller – Rouffach – Eguisheim – Colmar – Riquewihr – Ribeauville – Châtenois – Dambach la-Ville |
Wetter | bewölkt, ideales Fahrradwetter |
Entfernung | 94 km |
Übernachtung | Hotel Au Deux Clefs, Dambach, 175 Euro |
Pünktlich sind wir auf den Fahrrädern. Wir verlassen den Sundgau und kommen in die elsässische Weinregion, also in die Landschaft, die unter dem Namen Elsass gewöhnlich verstanden wird. Weinbau beherrscht jetzt die Gegend. Wir passieren Ensisheim und Guebwiller. Unsere erste Rast machen wir in Rouffach. Das Städtchen gefällt durch sein mittelalterliches Ambiente. Nur die vielen Autos auf dem Marktplatz stören ein wenig. Hinter dem alten Kornhaus finden wir ein lauschiges Straßencafe.
Das Reisen bildet, bestätigt sich wieder einmal. Nach dieser Tour weiß wirklich jeder von uns, dass es sich bei einem Hotel de Ville nicht um eine Hotelkette in Frankreich, wundersamer weise immer an den zentralen Plätzen in den Orten, sondern schlicht um das jeweilige Rathaus handelt.
Kurz vor den Toren Colmars besuchen wir ein weiteres sehenswertes Städtchen: Eguisheim. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung bis Colmar.
Colmar liegt im Herzen des Elsass und ist eines der Highlights der elsässischen Weinstraße. Ohne Übertreibung kann man feststellen: Colmar ist die „elsässischste“ aller Städte der Region. Selbst im an malerischen und pittoresken Orten so reichen Elsass nimmt Colmar einen besonderen Platz ein. Diejenigen von uns, die zum ersten Mal hier sind, machen einen ausgiebigen Stadtrundgang. Die „alten Hasen“ begnügen sich mit einem Straßencafe, dem Cafe Leffe an der Kathedrale von Colmar. Für die exklusive Lage zahlen wir kräftig mit.
Auch wenn die Pausenhäufigkeit nicht allen Teilnehmern zu reichen scheint. Schon nach einer Stunde entspanntem Radfahren durch die Weinberge ist die nächste ausgiebige Rast angesagt. „Der“ Touristen-Ort des Elsass (neben Colmar vielleicht) Riquewihr oder auf elsässisch Reichenweiher, liegt vor uns. Und alle Touristen sind schon da. Trotzdem wagen wir den Rundgang durch das malerische Weinstädtchen. Kaum eine andere Stadt im Elsass hat ihr historisches Erscheinungsbild – in diesem Fall das des 17. Jh. – so unverfälscht erhalten wie das abseits der großen Straßen in einem Seitental gelegene Riquewihr. Wir sind schwer beeindruckt.
Die letzte Etappe des Tage führt uns durch Ribeauvillé und Châtenois nach Dambach la-Ville, alles Städtchen, die vom Wein leben und die wunderbar erhaltene historische Kerne haben. In Dambach finden wir nach längerem Suchen das Hotel zu den zwei Schlüsseln, vor der Stadtmauer gelegen. Die Wirtin hat Zimmer für uns im Nachbarhaus auf der anderen Straßenseite. Zu diesem Haus gehört ein Garten und zu dem Garten gehören Tische und Stühle und zu unserem Tisch gehören sehr bald die leckersten Biere. Nach dem Abendessen bei Frau Wirtin spazieren wir noch durchs Städtchen. Der Abend klingt sehr fröhlich in einer Kneipe aus, in der wir erst Fußball sehen und anschließen mit einigen einheimischen Stammgästen ausgiebig parlieren dürfen.
3. Tag | Freitag 2. Juli |
Strecke | Dambach – Andlau – Barr – Mont Ste.-Odile – Rosheim – Wasselonne – Birkenwald |
Wetter | bewölkt, einige Tröpfchen Regen |
Entfernung | 75 km |
Übernachtung | Hotel des Vosges, Birkenwald, 192 Euro |
Am Morgen verzögert sich die Abfahrt ein wenig, da es noch nicht aufhören will zu regnen. Immer durch Weinberge kommen wir schon bald nach Barr. Hier kaufen wir ein, versorgen uns mit ausreichend Flüssigkeit und sammeln unsere Kräfte für den großen Aufstieg auf den Mont Ste.-Odile, dem heiligen Berg des Elsass. 565 Höhenmeter liegen vor uns. Das Feld zieht sich schnell auseinander. Auf einer gut ausgebauten Straße, fast nur durch Wald und bei leichtem Nieseln sind unsere schnellsten Drei schon nach einer knappen Stunde oben. Der Rest folgt mehr oder weniger schnell. Auf dem Berg erwartet uns ein uralter Wallfahrtsort, das Kloster der heiligen Odilie. Nicht ohne Stolz stellen wir fest, dass wir hier oben die einzigen nicht motorisierten Besucher sind. Wir genießen den herrlichen Blick über die Rheinebene und essen in der Klosterherberge zu Mittag.
In rasender Abfahrt sind wir sehr schnell wieder in der Ebene. Über Ottrott, Boersch erreichen wir Rosheim, ein weiteres mittelalterliches Weinstädtchen. Wir besuchen die im 12 Jh. erbaute Kirche St. Peter und Paul. Sie gehört zweifelsohne zu den schönsten romanischen Gotteshäusern des Elsass. Es gibt zwei weitere Besonderheiten in Rosheim: Hier steht das älteste steinerne Wohnhaus , das „Heidenhaus“ des Elsass und die Bäckerei nahe der Kirche behauptet gar, die älteste von ganz Frankreich zu sein.
Hinter Rosheim werden die Weinberge seltener. Die Landschaft wandelt sich allmählich. Sie wird immer waldreicher. Als einzigen etwas größeren Ort durchfahren wir Wasselonne. Von dort ist es nicht mehr weit bis Birkenwald, einem winzigen Ort mit kaum zwanzig Häusern, aber mit zwei größeren Hotels. Der nördliche Teil der Vogesen hier nennt sich passender weise Waldvogesen. Wir finden im Hotel des Vosges Quartier. Es wird das Haus mit dem perfektesten Service dieser Tour. Eine unaufdringliche aber umsichtige Bedienung, ein ausgezeichnetes Abendessen begleiten einen sehr geselligen Abend, unterbrochen nur durch einen Spaziergang durchs Dorf, der naturgemäß nicht lange dauern kann. Zwanzig Häuser sind schnell abgeschritten. Die vielen Anstiege des Tages, Bier und Wein und die unverbrauchte Waldluft lassen uns bald in tiefen Schlaf fallen. Da das Hotel nahezu ausgebucht war, muss sich Karl-Heinz mit der winzigen Kammer des urlaubenden Azubis unter dem Dach begnügen. Das ändert aber nichts daran, dass dieses Hotel allen in bester Erinnerung bleiben wird.
4. Tag | Samstag 3. Juli |
Strecke | Birkenwald – Saverne – Dossenheim sur Zinsel – Ingwiller – Niederbronn – Wissembourg |
Wetter | wechselnd bewölkt, stark (Rücken-)windig |
Entfernung | 98 km |
Übernachtung | Hotel d’Alsace, Wissembourg, 238 Euro |
Morgens beim Start treffen sich auf dem Hotelparkplatz gerade einige Oldtimerfans mit ihren perfekt restaurierten Autos. Das kann uns aber unsere eigene Fortbewegungsart nicht verleiden. Wir wissen, das wir mit unseren Fahrrädern die herrliche Landschaft viel unmittelbarer genießen können. Wir wissen noch nicht, dass es ein anstrengender Tag mit einigen heftigen Anstiegen werden wird.
Die erste Rast machen wir in Saverne, einem quirligen Städtchen zu Füßen des Forêt domaniale de Saverne (Staatsforst). Wir bemerken wieder einmal, dass wir städtische Hektik auf unseren Touren nicht brauchen und sind schon bald wieder draußen. Die Route führt uns meistens am Waldrand entlang, oft mit weitem Blick in die Ebene. Der starke Rückenwind macht die vielen Steigungen erträglicher. Als wir dann in der Mittagszeit ein Cafe finden (war das in Ingwiller?), in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, mit einer sehr altertümlichen Einrichtung, mit Wohnzimmerenge und mit leckerem Kuchen, sind alle bisherigen Strapazen vergessen. Peter beeindruckt die Bedienung mit seiner Erdbeerkuchenorder. Auf die Frage, wie viel von dem Kuchen ihm denn abgeschnitten werden solle, bestellt er ihn zur Gänze und er isst ihn auch auf. Ab diesem Moment ist Peter wie umgewandelt. Alle Kräfte, die tief verborgen in ihm schlummerten, sind plötzlich abrufbereit. Er wird zum Tempomacher und bleibt das den ganzen Nachmittag.
Die durchfahrenen Orte am Nachmittag heißen Offwiller, Oberbronn, Niederbronn, Reichshoffen, Woerth, Preuschdorf, Merkwiller-Pechelbronn, Cleebourg. Gegen 18 Uhr erreichen wir Wissembourg, das heutige Etappenziel. Das Hotel liegt zentral. Die Zeit reicht für eine ausgiebige Stadterkundung.
Zum ersten Mal auf der Tour essen wir den berühmten Elsässer Flammekueche, leider nur als Appetitanreger für das eigentliche Abendessen, das qualitativ deutlich abfällt. (Der Flammekueche ist ein Überbleibsel aus jener Zeit, als das Brot noch selbst gebacken wurde. Traditionell geschah das am Samstag. Da blieb wenig Zeit für ein komplettes Mittagessen und daher reichte man zu einer am Vortag zubereiteten Suppe Flammekueche. Dafür wurde der restliche Brotteig ausgewalzt, mit Sauerrahm bestrichen und Zwiebeln und Speck belegt.)
Der Rückweg ins Hotel wird lang. Da ist zuerst eine mühselige Telefonzellensuche, dann ein irischer Pub und zuletzt noch ein ausklingendes Feuerwehrfest, passend dekoriert mit einem riesigen Lagerfeuer, wo wir uns ein letztes Bier gönnen, alles zeitraubende Unternehmungen.
5. Tag | Sonntag, 4. Juli |
Strecke | Wissembourg – Lauterbourg – Karlsruhe – Münster |
Wetter | traumhaftes Sommerwetter |
Entfernung | 47 km |
Übernachtung |
Der letzte Tag führt uns hinaus aus Wissembourg durch ein riesiges Waldgebiet, den Bienwald, bis nach Lauterbourg. Eine perfekt ausgebaute Teerstraße nahezu ohne Verkehr lässt uns diesen Abschnitt genießen. In Lauterbourg machen wir die letzte Rast in Frankreich. Auf Rheindeichen geht es noch ein Stück flussabwärts bis zur Rheinfähre bei Rheinstetten. Wir überqueren den Rhein und fahren weiter entlang des Flusses nach Karlsruhe. Mit einheimischer Hilfe gelingt uns die optimale Hineinfahrt in die Großstadt. Es geht immer am Reiherbach entlang inmitten eines Parks und Freizeitgeländes. Wir verlassen diese grüne Schneise erst unmittelbar vor dem Hauptbahnhof. Gegenüber am Eingang zum Zoo finden wir eine nette Gartenwirtschaft, in der wir die letzte Stunde vor der Rückfahrt nach Münster verbringen
Wir sind uns einig, eine erlebnisreiche und sportliche Tour durch altes europäisches Kulturland mit malerischer Landschaft und sehenswerten alten Orten erlebt zu haben, für die sich die weite Hin- und Rückfahrt unbedingt lohnte.